„Zeigen statt behaupten“ gilt als DER Wundertrick für Autor*innen und viele, die davon zum ersten Mal hören, sind hellauf begeistert. Auch ich habe das oft empfohlen und werde es auch zukünftig tun. Aber ich sehe auch, dass manche Autor*innen diesen „Zaubertrick“ zu ernst nehmen.

Zunächst einmal: was ist das überhaupt? Auf englisch werdet ihr Blogartikel dazu unter „show, don’t tell‘ finden, deutschsprachige Ratgeber sprechen von „zeigen statt erzählen“ oder „zeigen, nicht behaupten“ (und ähnlichem). Gemeint ist, dass literarische Texte nicht unbedingt erklärender Natur sein sollten. Was ja auch eigentlich klar ist. Ist ja keine Gebrauchsanleitung vom Klappsofa.

Nicht behaupten, sondern zeigen sollte ein Text. Aber sollte er das immer?

Was ist das „Zeigen statt behaupten“ also genau?

Am einfachsten lässt sich das Stilmittel mit einem Beispiel veranschaulichen. Angenommen, ihr möchtet darstellen, dass eure Figur traurig ist. Jetzt könnt ihr das einfach behaupten: „Sie war traurig.“ Natürlich habt ihr damit alles gesagt, was zu sagen ist. Aber fühlen die Leser*innen das auch? Nein. Sie lesen darüber hinweg. Sie nehmen es vielleicht wahr. Der logische Teil ihres Gehirns hat das Wort als bekannt abgehakt.

Anders ist es, wenn sie selbst das Gefühl in die Handlung hineininterpretieren. Ich hole dafür etwas weiter aus: „Sie senkte den Kopf und Tränen liefen ihr über das Gesicht“. In diesem Satz zeige ich, wie die Figur sich fühlt. Das kann man sicher besser machen, aber für ein Beispiel reicht es. Leser*in und Autor*in sind sehr nah an den Figuren. Diese Nähe ist gewollt und gut.

Landschaftbild vs. Nahaufnahme

Ich vergleiche das Stilmittel gerne mit einer Kamera, die nah an der Figur ist. In einer Panoranaufnahme kann man die Tränen nicht sehen. Oder die Mimik. Dennoch ist die Szenerie auch wichtig.

Wenn ich „zeigen statt behaupten“ empfohlen habe, habe ich immer gemeint, es als Stilmittel einzusetzen, wenn zum Beispiel emotionale Stellen anstanden. Die wirken dann auch weitaus weniger klischeehaft. Auch in Action-Szenen ist es natürlich viel besser, zu zeigen, was passiert, statt es zu beschrieben. Inzwischen habe ich aber ganze Texte gelesen, die komplett auf dem „Zeigen-statt-beschreiben“-Prinzip beruhen. Es ist quasi, als würde man nur von der Kamera-Brille der Figur durch die Geschichte getragen. Das kann zu eng werden. Jedes noch so kleine Gefühl unter der Lupe zu haben, kann sich aufreiben. Dann wird aus dem Guten etwas Schlechtes. Und vor allem: Es kann dem Text die Lebendigkeit nehmen und damit genau das Gegenteil von dem erreichen, was man eigentlich wollte.

Lebendige Texte brauchen beides!

Ein lebendiger Text verträgt durchaus auch erklärende Bereiche. Das sind auch oft Stellen, an denen die Handlung ein wenig vorgespult und zusammengerafft wird. Schließlich gibt es noch einen weiteren Punkt: man kann nicht jede kleine Element in der Geschichte bis ins Detail ausschmücken und alles in Handlung packen. Nicht alles ist wichtig genug für die Geschichte. Ein guter Text ist eine Mischung aus hineinzoomen und herauszoomen, um bei dem Kamerabeispiel zu bleiben. Aus zusammengeraffter und erlebter Handlung. Zeigen statt behaupten ist also ein Stilmittel, das – gekonnt eingesetzt – tatsächlich das versprochene Wundermittel sein kann. Etwas, das einen guten Text zu einem sehr guten macht. Aber wie alle Stilmittel wirkt es nur, wenn man es gezielt einsetzt.