Nano-Tipps Teil 2

In meinem letzten Beitrag, den du hier findest, haben wir bereits über den NaNoWriMo gesprochen. Hier kommt jetzt die zweite Hälfte der Nano-Tipps, wie auch du deine 50.000 Wörter schaffen kannst.

Word Wars

Wo wir gerade bei Community sind: Das legendärste und spaßigste am gemeinsamen Schreiben sind sogenannte Word Wars. Das klingt martialischer als es ist! Verabrede dich mit mindestens einer weiteren Person, am besten seid ihr in einem Chat (oder in einem Raum, wenn das nicht beim Schreiben stört). Ihr legt einen Startzeitpunkt fest und schreibt bei „los!“ so viel ihr könnt in 15 Minuten (oder einer anderen Zeit). Wenn das Stoppsignal ertönt (oder der Klingelton des Timers), hören die Teilnehmer auf zu schreiben und posten ihre Wortzahl, die sie in der Zeit geschrieben haben. Sieger ist, wer die meisten Wörter geschrieben hat.

Word Wars allein oder: Power Writing

Wenn gerade niemand Zeit hat – oder du es vorziehst, allein zu arbeiten – kannst du dich auch selbst anspornen zu kleinen Battles. Schaffe dir möglichst ideale Schreibbedingungen. Ruhe, gedimmtes Licht, ein (warmes) Getränk in Reichweite, vielleicht auch ein kleiner Preis für deine Mühe, wie einen Gummibären oder eine Weintraube, was du magst und dir gerade guttut. Verstecke deine Uhren oder drehe sie so weg, dass du sie nicht siehst. Auch die an deinem Computer (Vollbildmodus). Stelle dir einen Timer auf 15, 20 oder 25 Minuten. Ich würde empfehlen, mit 15 anzufangen und zu schauen, was dir liegt. Wenn du sie brauchst, macht die Musik auf die Ohren, oder Ohrstöpsel rein. Falls möglich, schalte Benachrichtigungen oder das Internet und Türklingel/ Telefon aus.

Bereit? Starte den Timer und drehe auch ihn weg. Jetzt hau in die Tasten, dass es qualmt. Wenn der Timer klingelt, kannst du, wenn du magst, deine Wortzahl notieren. Vielleicht bist du beim nächsten Mal sogar etwas besser? Aber denk dran, zuerst eine kleine Pause zu machen. Schau dich auch mal bei der Pomodoro-Methode um, vielleicht ist das etwas für dich.

Musik oder keine Musik?

Kaum eine Frage spaltet vermutlich die Autor*innen-Welt mehr: Musik hören beim schreiben oder nicht? Und wenn ja, welche? Hier eine Liste der Möglichkeiten, die du ausprobieren kannst. Nicht alles funktioniert für jede*n und natürlich ohne Garantie auf Vollständigkeit:

  • Hohe BPM: schnelle Musik macht auch meine Finger schnell, kann aber gerade in emotionalen Szenen auch störend sein
  • Charakter-Playlisten: Songs, die dich an deinen Charakter erinnern und auf ihn einstimmen sollen. Gerade bei wechselnden POV eine interessante Option, um in die jeweilige Stimmung zu kommen
  • Atmosphären-Playlisten
  • Genre-Playlisten (findet man beides teilweise auch bei den Anbietern, einfach mal suchen)
  • Filmmusik (liebe ich sehr zum Schreiben)
  • Meditationsmusik
  • Brown Noise, White Noise (einfach ein Rauschen, das ablenkende Gedanken abschalten soll)
  • Meeresrauschen, Regengeräusche, Vogelgezwitscher, Feuerknistern- findet man oft auch als „Einschlafhilfe“ – bitte nur für eins von beidem verwenden, sonst schläft man nachher beim Schreiben ein : – )
  • Ambient Sounds (zum Beispiel „Zugfahrt bei Regen“ oder „Bibliothek“, Kombinationen aus Geräuschen wie Seitenumblättern, Feuerknistern, Regenprasseln, es gibt auch Mixer, mit denen man das selbst zusammenstellen kann)
  • Experimentiere doch mal mit Sachen wie „Fokus-Musik“ oder 8-Bit-Musik

Word Crawls

Wenn dir fantasievolle Spielereien liegen, suche unbedingt mal nach Word Crawls. Das sind kleine Spiele, die dir das Schreiben erleichtern sollen. Du bist beispielsweise die Hauptfigur eines bekannten Romans und erlebst ein kleines Abenteuer. Dabei gibt es verschiedene Aufgaben. Manchmal musst du deine nächste Wortzahl erwürfeln. Oder eine gewisse Zeit am Stück schreiben. Oft kannst du auch zwischen verschiedenen Schwierigkeitsstufen wählen. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der Harry-Potter-Crawl, bei dem man sich als Hogwartsschüler*in durch alle sieben Schuljahre arbeiten muss. Man kann Word Crawls auch mit anderen gemeinsam machen, ohne dass man unbedingt zur gleichen Zeit online sein muss, denn man kann seine Wortzahlen notieren und vergleichen.

Hier findest du eine Liste mit Word Crawls auf einer Nano-Wiki-Seite. Viel Spaß beim Ausprobieren!

Rechtschreibung

Viele sind der Ansicht, dass man im Nano einfach nicht auf Rechtschreibung achten sollte, sondern nur schnell schreiben. Wenn du gerade einen Word War machst oder gegen die Uhr schreibst, sollte das auch kein Problem sein, einfach zu schreiben, wie die Finger gerade fliegen. Gerade Personen, die nach dem 10-Finger-System schreiben, schreiben jedoch gerne auch blind, das heißt, ohne auf die Tasten zu sehen. Mir ist es schon einmal passiert, dass ich meine Finger nicht auf die richtigen Tasten gelegt hatte und einen Absatz Murks geschrieben habe, den ich auch gar nicht mehr nachvollziehen könnte. Daher kann es sinnvoll sein, das Geschriebene am Ende zumindest einmal grob zu überfliegen – nicht zu überarbeiten, aber zumindest lesbar zu machen, solange du noch weißt, was du schreiben wolltest. Dein zukünftiges Ich sagt „danke!“

Schreibnotizen

Manchmal ist man voll drin, und könnte noch stundenlang an der Geschichte weiterspinnen. Aber zugleich merkt man, wie müde man ist. Aber man weiß ja, wo man am nächsten Tag weitermachen muss, oder? Am nächsten Tag aber sitzt man vor dem virtuellen Blatt und weiß einfach nicht mehr, wie man weiter machen wollte – daher schreib dir schnell noch auf, was für die nächste Stelle wichtig wird, bevor du ins Bett gehst.

Füllwörter und Blabla

Es klingt verlockend: wenn es doch darum geht, besonders viele Wörter zu schreiben, warum dann nicht einfach viel Blabla machen? Absichtlich Füllwörter und ellenlange Beschreibungen einbauen, nur damit der Word Count stimmt.

Ist es dir das wirklich wert? Und ist dein zukünftiges Ich dir das wert? Klar kommt es ein wenig auf deinen Überarbeitungsstil an. Wenn du alles eh komplett noch einmal neu schreibst – ok. Trotz allem finde ich jedoch, man sollte so gut wie eben möglich schreiben, ohne dabei Zeit in Überarbeitungen zu verlieren. Man sollte schon einen Erstentwurf hinbekommen, bei dem man später auch noch Lust hat, für Überarbeitungen hineinzuschauen. Denn ansonsten hat man für die Tonne geschrieben.

Ich habe noch nie versucht, Unsinn zu schreiben, nur um einen Nano zu gewinnen. Oder meinen Protas Doppelnamen gegeben. Und dennoch habe ich einige Gewinne vorzuweisen. Hör nicht auf diese Tipps.

Spinnen und Improvisieren

Das ist der größte Spaß am Nano überhaupt – die kleine verrückte Idee, die du vielleicht verworfen hättest, wenn du nicht gerade solchen Zeitdruck hättest, dein Wortziel zu erreichen. Diese kleine Verrücktheit oder der Witz, den du in der Überarbeitung aber vielleicht richtig gelungen finden wirst (und wenn nicht, kommt er dann weg, das ist nicht das Ende der Welt). Von daher: mach doch! Der Nano ist verrückt. Vollkommen verrückt. Von daher kannst du dir auf jeden Fall einen kleinen Spaß erlauben. Vielleicht schmunzelst du irgendwann darüber. Ganz vielleicht sogar deine Leser*innen.

Ein Tagessatz Vorsprung

Am ersten November bist du wahrscheinlich noch hochmotiviert. Nutze den Schwung der ersten Tage aus, um noch etwas mehr als nötig zu schreiben. Der Tag wird kommen, an dem dir etwas dazwischen kommt. Wenn du versuchst, einen Tag Vorsprung aufzubauen, fällst du nicht so tief. Denn einen Rückstand aufzuarbeiten ist nicht nur deprimierend, sondern auch sehr schwer. Wenn du frustriert bist über einen Rückstand, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du scheiterst. Es kann auch sinnvoll sein, für dich ein grundsätzlich etwas höheres Tagesziel festzulegen, zum Beispiel 2000 Wörter, um auf einen Puffer zurückgreifen zu können, sollten alle Stricke reißen.

Solltest du schon vorher wissen, dass du beispielsweise an Omis Geburtstag definitiv nicht zum Schreiben kommen wirst, arbeite lieber vor als nach. Teile dir den Tag beispielsweise auf drei Tage auf und schlage sie aufs Tagesziel. Nutze das Wochenende vor der Feier, wenn das möglich ist. Man kann aus eigener Erfahrung auch mit Rückstand noch gewinnen. Aber so ist es leichter.

Feste Nano-Zeit

Falls du nicht weißt, wie lange du für 1.667 Wörter brauchst, teste dich doch jetzt schon ein paar Mal, damit du den Aufwand einschätzen kannst. Plane dir am besten einen festen Zeitslot ein, in dem du schreibst. Am besten nicht zu spät (je früher, desto besser), sodass du noch Zeit hast, nachzuschreiben, falls etwas dazwischenkommt. Also vielleicht nicht direkt vor Mitternacht.

Man kann auch Zahlen für den entsprechenden Tag nachtragen, wenn man über die Mitternachtsgrenze gekommen ist und ich sehe es auch so: der Tag endet damit, dass ich ins Bett gehe, nicht mit einer bestimmten Uhrzeit. Ein fester Schreib-Platz ist auch hilfreich, sodass du nicht erst den Küchentisch freiräumen musst, sondern direkt loslegen kannst.

Nano-Math

Vielleicht ist es sinnvoll für dich, nicht 1667 Wörter zu schrieben, denn das ist wirklich überwältigend viel. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, dein Tagesziel noch zu unterteilen, zum Beispiel morgens, mittags und abends jeweils 555 Wörter. Oder am Morgen 1000 und am Abend 600 (und die 67 nicht vergessen, sah aber so besser aus. Vielleicht schaffst du auch 100 zusätzlich?). Es gibt keine Regel, die besagt, dass du das auf einmal schrieben musst. Nur am Tag.

Das Mittel-Tief

Das Mittel-Tief wird kommen. Der Nano ist anstrengend. Du wirst anfangen, an dir und deinen Fähigkeiten zu zweifeln. Die Mitte macht vielen Nanos einen Strich durch die Rechnung. Es lohnt sich, weiter zu machen. Denn nach dem Tief kommt das Writer’s High! Versprechen kann ich das natürlich nicht, aber bei mir ist es so. Wenn ich den Tiefpunkt überwunden habe und wahrscheinlich auch einen Rückstand aufgearbeitet habe, macht es irgendwann wieder klick.

Statistik aus dem NaNoWriMo 2020
Hier siehst du die Statistik meines 2020er-Nanos. Die blaue Linie, meine Werte, mag nicht weit von der grauen entfernt wirken. Doch das täuscht. Am tiefsten Punkt beträgt der Rückstand fast 4000 Wörter! Ich habe wirklich nicht mehr daran geglaubt, dass ich noch über die Ziellinie gehe. Besonders gut sieht man auch den Unterschied zwischen Woche 1 (übermotiviert), 2 (erste Probleme), 3 (noch mehr Rückstand) und 4 (die Energie ist zurück).

Und denk dran, wie gut du dich fühlen wirst, wenn du dein Ziel erreichst. Es ist ganz nah. Woche drei ist doof. Woche vier wird meist besser. Und am Ende, spätestens dann, wirst du froh sein, wenn du dich durchgezogen hast.

Denn mal ehrlich: auch wenn du deinen Roman nicht in einem Monat schreibst, selbst wenn dein Tagesziel 200 Wörter sind, wirst du auch das Jahr über an diesen Punkt kommen. Mehrfach sogar. Aber du hast ein größeres Ziel: dein Buch fertig zu bekommen. Dir eine Schreibroutine zu schaffen.

Zwischenetappen

Wie beim Bergsteigen darfst du dich gerne belohnen und feiern. Fünf Tagesziele am Stück? Super! Die ersten 5000 Wörter? Richtig klasse. 25.000 Wörter? Mega! Die Belohnung für die vielen kleinen Ziele, für die es auf der Nano-Seite übrigens auch verschiedene Badges gibt, muss auch keine Tafel Schokolade sein. Schaue doch mal, was du brauchst, denn du musst auch auf dich achten, um nicht im Nano-Stress unterzugehen. Denk daran: es ist ein Marathon, kein Sprint (auf lange Sicht).

Was, wenn es nicht klappt?

Und wenn es trotz aller Nano-Tipps nicht klappen sollte: 10.000 Wörter mehr sind auch viel. Dein halbes Nano-Ziel ist ein richtig toller Erfolg. Wenn du das Wortziel verfehlst, aber wieder jeden Tag an deinem Roman arbeitest, ist es richtig gut. Oder wenn du wieder Spaß am Schreiben hast, der dir vorher verloren gegangen schien, dann ist das ein tolles Ergebnis. Falls du nach dem Nano erst recht zeigen willst, dass du dieses Buch schreiben kannst, hast du vermutlich viel, viel mehr noch erreicht als mit 50.000 Wörtern.

Ich wünsche viel Erfolg und einen tollen Nano – und vielleicht lesen wir voneinander?