Dein Herz klopft wie wild, als du auf den Anhang der E-Mail klickst. Das ist sie, deine erste Kritik von Betalesern. Was wird dich erwarten?

Was du vielleicht nicht erwartet hast, sind die Selbstzweifel, die nach dir greifen. Vielleicht weißt du selbst, wie irrational sie sind, weil dort nur ein paar wenige negative Punkte genannt wurden. Aber es ist auch ganz viel Lob enthalten, das du in diesem Moment nicht siehst. Rasch schließt du deine E-Mails wieder.

Es wird auch nach etlichen Beta-Lesern immer diesen Tiefpunkt geben. Aber die gute Nachricht ist: man kann lernen, damit umzugehen. Etwas aus den Kritiken zu ziehen, mit dem man weiterarbeiten kann.

Doch zunächst einmal: nicht jede Person ist als Beta-Leser*in geeignet. Daher solltest du dir zunächst einmal die Form der Kritik ansehen. Und damit sind wir an meinem persönlichen Beta-Leser-Tiefpunkt, von dem ich dir erzählen möchte: Die Worte eines Betalesers, die ich bis heute nicht vergessen habe: „Haha, witzig, erst dachte ich, was ist das für ein Mist, aber jetzt habe ich kapiert, dass das Trash sein soll. Voll witzig.

Nicht. Ich habe das ernst gemeint. Ich habe vielleicht nicht besonders gut geschrieben, es war mein allererster beendeter Roman, aber ich habe meine Gefühle da hineingelegt. Sicher wollte ich nicht absichtlich schlecht schreiben, damit es jemand lustig findet.

Ein anderes Beispiel, das eine Freundin erlebt hat: „Deine Geschichte ist langweilig.“ Das war alles. Was diese beiden Storys gemeinsam haben, abgesehen von der Taktlosigkeit: Die Betaleser*innen wollten nicht helfen. Einfach eine Meinung rauströten hilft niemandem.

Erhältst du also solche Kritik, kannst du sie getrost löschen. Diese Personen möchten dich nicht unterstützen. Eine Person, die helfen möchte, schaut genau hin und zeigt dir, wo sie einen möglichen Fehler in deiner Geschichte sieht. Oder einen Ansatz zu einer Verbesserung, denn Kritik heißt nicht, immer, dass etwas schlecht ist, sondern dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dass da Potential ist, das nicht ausgeschöpft wurde. Gute, konstruktive Kritik könnte so klingen: „An dieser Stelle wird die Erklärung etwas zu langatmig“ oder „ich kann nicht nachvollziehen, warum die Figur hier so handelt (weil …)“.

Bevor du dir eine Kritik also zu Herzen nimmst, schau sie dir genau an: ist sie spezifisch, konkret und umsetzbar? Versucht die Person, dir zu zeigen, wie man es anders machen könnte? Ansonsten kannst du mit dieser Kritik nichts anfangen und brauchst sie auch nicht. Beim Testlesen und auch im Lektorat geht es nicht um ein fertiges Werk, das man be- und verurteilen darf. Es geht um das gemeinsame Verbessern eines Textes. Versuch also, wenn du eine Kritik erhältst, zu sehen, ob die Person mit dir gemeinsam an der Verbesserung deines Textes arbeiten wollte.

Das heißt nicht, dass du jeden Punkt annehmen sollst. Allerdings wird es sich beim ersten Lesen genau umgekehrt anfühlen: eine Stimme in dir möchte jeden noch so kleinen Punkt ablehnen. Du fühlst dich missverstanden und bist sehr emotional. Das ist verständlich. Daher mein Vorschlag im Umgang mit Kritik: Bedanke dich und nimm dir dann deine Zeit. Akzeptiere, dass sie so ist, wie sie ist. Lass die Kritik ein wenig ruhen, bevor du sie umsetzt. Wenn du sie zum zweiten Mal liest, kannst du wesentlich klarer und emotionsloser (oder -ärmer) darüber nachdenken, was du umsetzen möchtest. Auch hier würde ich mir an deiner Stelle Zeit lassen. Die Kritik noch einmal mit deiner Idee von deiner Geschichte abgleichen. Manchmal möchtest du auch den Vorschlag nicht annehmen, aber siehst, dass du missverstanden wurdest. Daran erkennst  du, dass du deinen Punkt deutlicher vorbringen musst. Auch das ist wertvoll.

Ich finde es auch sehr sinnvoll, die Kritik mehrerer Beta-Leser*innen miteinander zu vergleichen. Manchmal fällt mehreren die gleiche Stelle auf. Das ist ein deutliches Zeichen, dass du dort etwas ändern musst.

Fakt ist: Kritik ist wichtig. Wenn du nur für dich schreibst, brauchst du dich dieser Situation nicht aussetzen. Aber wenn du weiterkommen möchtest, wenn du andere Menschen mit deinen Texten begeistern möchtest, ist Kritik unumgänglich.

Leider lässt es sich weder vermeiden, dass es Menschen gibt, die nicht konstruktiv kritisieren, noch, dass Menschen nicht gefällt, was du schreibst. Oder sie es nicht richtig verstehen. Und je mehr Menschen deine Texte gefallen, desto mehr wird es auch geben, denen sie nicht gefallen. Wenn du prominente Personen googlest, wirst du vermutlich genauso viele Hater wie Fans finden.

Aber: Kritik, besonders die von Beta-Lesern und Lektoren (und das sind normalerweise Menschen, die es gut mit dir meinen und dir helfen wollen), bringt dich als Autor*in weiter. Falls du also selbst gerade in der oben geschilderten Situation bist: Kopf hoch. Du bist nicht schlecht, denn du bist bereits weit gekommen und du arbeitest weiter hart an deinen Fähigkeiten. Eine gute Kritik richtet sich niemals gegen dich selbst, sondern immer nur „gegen“ deine Arbeit.

Falls sie das doch tut, kannst du sie getrost ignorieren. Du brauchst nur Kritik annehmen, die sich deinen Text genau anschaut und versucht, deine Arbeit weiterzubringen. Tief Luft holen, du schaffst das! Wenn du dich der Kritik gestellt hast und deinen Text verbessert, bringt dich das als Autor*in immer einen Schritt weiter! Umgekehrt weißt du jetzt hoffentlich auch (falls du es nicht vorher schon wusstest), worauf du achten musst, wenn dich jemand um Texthilfe bittet und bringst andere weiter.